Eine Woche der deutsch-polnischen Freundschaft

Kleszczów, eine vom Bergbau geprägte Stadt im Herzen Polens, die auf etwa halber Strecke zwischen Warschau und Krakau liegt. Wetter und Klima entsprechen ungefähr Norddeutschland und die Gastfreundschaft ist sehr herzlich. Das alles konnten die Teilnehmer des Polenaustausches der Heimschule St. Landolin mit Unterstützung des begleitenden Lehrers, Herrn Kollefrath, und dem Schulleiter, Herrn Pfister, selbst erleben.

Der Austausch mit dem Liceum in Kleszczów findet seit 2012 jährlich statt. Auch in diesem Jahr bot das Programm ein Einblick in ein Land, das trotz direkter Nachbarschaft vielen Deutschen unbekannt ist.

dscn6465.jpgNach einer anstrengenden Anreise mit Bahn, Flugzeug und Bus verbrachten die Teilnehmer ihre erste Nacht bei den noch fremden polnischen Familien. Verständigt wurde  sich meist auf Deutsch und Englisch. Ansonsten half der polnische Deutschlehrer Herr Grodek bei der Kommunikation. Insbesondere bei Ausflügen, offiziellen Anlässen und Führungen waren seine Übersetzungen gefragt.

Der erste Tag in Kleszczów begann am Ankunftsort, dem Liceum, dessen Patron und Namensgeber Johannes Paul II. ist. Die deutschen Gäste wurden von der Direktorin herzlich willkommen geheißen. Der Austausch startete dann mit einem typischen, wenn auch verkürzten Schultag in der noch sehr jungen und sehr modernen Schule. Das Mensaessen hielt dem Vergleich mit der heimischen Mensa stand. Nach einer längeren Mittagspause  war es Zeit, Kleszczóws Naturschutzgebiet zu erkunden. Dort wurde anschließend gemeinsam am Lagerfeuer gegrillt – natürlich Krakauer Würste.

dscn6510.jpgWie schon zu Anfang erwähnt, ist die Gemeinde vor allem für seine Kohlevorkommen bekannt. So bot der zweite Tag die Möglichkeit, in Bergmannskluft den größten Braunkohletagebau Europas zu besichtigen. Besonders beeindruckend wirkten die bis zu 80 Meter hohen Bagger, bei deren  Anblick nicht nur Herr Pfister Lust bekam, eine solch große Maschine selbst zu bedienen. Wieder zurück in Kleszczów und nach einem warmen Essen gab es die Möglichkeiten, im Schwimmbad direkt neben dem Liceum entweder im Jacuzzi zu entspannen oder Bahnen zu schwimmen.

Der dritte Tag begann mit einer Besichtigung des Paulinerklosters in Tschenstochau. Es ist mit bis zu vier Millionen Pilgern im Jahr der meistbesuchte Wallfahrtsort in Polen und vor allem für das Bildnis der  schwarzen Madonna bekannt. Ihre dunkle Hautfarbe hat die Madonna im Laufe der Jahrhunderte vom aufsteigenden Ruß der direkt vor dem Bild aufgestellten Kerzen erhalten. Die Verehrung der Madonna wird auch an den verschiedenen, prachtvollen Gewändern offensichtlich,  die sie und der kleine Jesus auf ihrem Arm regelmäßig wechseln. Selbst Arbeitszeiten und Ruhepausen existieren für dieses Bild. Für die meisten Teilnehmer wirkte dies eher befremdlich, aber wie Herr Pfister schmunzelnd bemerkte: „Das Schöne am katholischen Glauben ist, dass man ihn auf so viele verschiedene Arten und Weisen leben kann.“ Der Nachmittag wurde dann im nahegelegenen Einkaufszentrum mit Shopping und Fast Food verbracht, ehe die Teilnehmer erschöpft zu den polnischen Partnern nach Hause kamen.

Die Besichtigung des Konzentrationslagers bei Auschwitz am Freitag war für viele Teilnehmer wohl der eindrücklichste Moment des Austauschs.  Der zum Synonym für den Holocaust gewordene Ort wurde mit einer deutschsprachigen Fremdenführerin besichtigt und mit einer andächtigen, bedrückenden Stille verfolgt. Die unglaublich schockierenden Zahlen, die zahlreichen Fotos, die original erhaltenen Gebäude und Details regten zum Nachdenken an und erzählten das Leben und das grausame Sterben der Häftlinge neu.

Nach diesem prägenden Ausflug reisten wir nach Krakau, der zweitgrößten Stadt Polens. Zahlreiche Bauwerke der Gotik, der Renaissance, des Barock und späterer Epochen der Kunstgeschichte prägen das Stadtbild Krakaus. Nach der kurzen Besichtigung der schönen Stadt übernachteten die Teilnehmer im Gebirgsort Zakopane.

Die für den fünften Tag angesetzte vierstündige Wanderung im Gebirge um Zakopane musste dann aufgrund der Witterungsverhältnisse ausfallen. So wurde stattdessen der für den Bergtourismus bekannte Ort besichtigt. Gebirgsketten, Skigebiete und Skischanzen machen die Stadt vor allem für Bergsteiger, Naturfreunde und Skifahrer attraktiv. Statt zu wandern, fuhren einige beispielsweise mit dem Sessellift auf die höchste Skischanze, ehe dann auf eigene Faust die Stadt erkundet wurde. Der geräucherte Käse, für den die Gegend berühmt ist, war ein beliebtes Souvenir.

Nach der Nachtruhe im liebgewonnenen zu Hause der Gastfamilien konnte der vorletzte Tag ausgeschlafen angetreten werden. Wir erlebten einen typischen Sonntagmorgen mit unseren Gastfamilien und trafen uns erst am Nachmittag wieder. Das Ziel: Malutkie – ein Resort, in dem u.a. Reiten und Paintball angeboten wurden. Dies  wurde dann auch ausprobiert. Während sich für Reiten nur wenige begeistern konnten, spielten bei Paintball alle mit. Es wurde Deutschland gegen Polen gespielt, auch wenn sich die begleitenden Lehrer bis zum Schluss mit der Spielidee und der Aufteilung der Mannschaften nicht anfreunden konnten: Die Mehrheit entschied. Natürlich ohne Sieger, aber mit viel Spaß ging das Spiel zu Ende.

Der Tag der Abreise war für alle Teilnehmer wohl der schwerste Tag. Natürlich freuten  sich alle auf zu Hause, auf Familie und Freunde, aber gleichzeitig wartete auch der Alltagsstress – und ein Abschied auf unbestimmten Zeit von neugewonnen Freunden ist wohl für niemanden einfach. Nach einem kurzen Schultag und einem gemeinsamen Mittagessen war der Zeitpunkt des Abschieds gekommen. Eine traurige Angelegenheit für alle Beteiligten, weil man sich in diesen Tagen doch gut kennengelernt und ins Herz geschlossen hatte. Schweren Herzens stiegen wir in den Bus, der zum Flughafen in Kattowitz fuhr.

Der Austausch, der im Sinne der deutsch-polnischen Freundschaft stattfand, hat sein Ziel auf jeden Fall erreicht. Die Deutschen kamen in Berührung mit der polnischen Kultur, Schulwesen, Politik und Landschaft. Auch die polnischen Teilnehmer hatten die Möglichkeit, mehr über Deutschland und seine Kultur zu erfahren. Vor allem wurden Freundschaften geschlossen und Eindrücke gewonnen, die die Teilnehmer und Leiter wohl nie vergessen werden.

Einen herzlichen Dank an Herrn Pfister, Herrn Kollefrath, Herrn Grodek, die Heimschule St. Landolin und das Liceum in Kleszczów, die dies ermöglichen.

 

Text: Julia Desiderato, J2